Tinte für die Ewigkeit – Eisengallustinte
Ein Rezept aus dem frühen Byzanz beschreibt, wie man aus Eisenvitriol, Wein oder Wasser, einem tanninhaltigen Sud aus Galläpfeln, die von Eichenbäumen geerntet wurden, und Gummiarabikum als Bindemittel eine Tinte herstellen kann, die zu 100 Prozent lichtecht ist. Diese Tinte ist nur für das Schreiben mit Stahlfedern geeignet. Eisengallustinte darf keinesfalls in modernen Füllfederhaltern verwendet werden, sie würde sie verstopfen. Von allen jemals erfundenen Tinten hat Eisengallustinte die besten Fließeigenschaften für ein angenehmes Schreiben. Dennoch haftet die Eisengallustinte sehr gut an der Schreibfeder, ohne zu tropfen. Beim Beschreiben von Papier erscheint das Schriftbild zunächst nur grau. Durch den Kontakt mit Sauerstoff aus der Atemluft oxydiert die Tinte nach einigen Stunden in ein tiefes und auf Dauer lichtechtes Schwarz. Um die Tinte direkt nach dem Schreiben besser sichtbar zu machen, wird oft der Farbstoff Methylblau zu dem Tintenansatz gegeben. Diese altertümliche Tinte ist absolut dokumentenecht. Die modernen synthetisch hergestellten Tinten, beispielsweise Anilinblau, erreichen diese hohe Licht- und Luftbeständigkeit nicht. Das Schriftbild der Gallustinte verblaßt nicht, allerdings greift die Eisengallustinte nach einigen Jahrhunderten das Papier an, auf das sie aufgetragen wurde. Meist betrifft dies jedoch einfache Papiersorten. Hochwertige Kanzleipapiere, die aus Leinen oder Nessel mit langen Zellulosefasern hergestellt wurden, sind auch nach Jahrhunderten kaum brüchig und vom Zerfall bedroht. Für wichtige Dokumente kann sich auch heute noch die Leinentischdecke aus der Lumpensammlung in hochwertigstes Papier verwandeln.
In der Gallustinte sind pflanzliche Gerbstoffe enthalten, die auch als Tannine bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um Polyphenole. Einen besonders hohen Gerbstoffanteil haben Galläpfel. Dies sind Wucherungen auf Eichenblättern. Diese Wucherungen sind eine Reaktion des Baumes auf Stiche der Gallwespe(Cynips tinctoria) in die Blätter. Für die Herstellung der Tinte wurden und werden auch heute noch die Galläpfel gesammelt. Die gerbstoffreiche Abkochung daraus bildet die Basis der Eisengallustinte.
© Caroline von Oldenburg
zurück zum Er-Lebensraum
|